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Laut der BundesPsychotherapeutenKammer (BPtK) erkrankt in Deutschland innerhalb eines Jahres jeder dritte Erwachsene an einer psychischen Krankheit. Psychische Krankheiten sind also etwas Alltägliches und Normales. Dabei kann es jeden treffen, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, hier geboren oder zugezogen. In jedem Fall ist es sinnvoll, so früh wie möglich eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten um Rat zu fragen, um langfristigen Beeinträchtigungen im Alltag vorzubeugen.

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb manche Menschen ein erstes Gespräch bei einer Psychotherapeutin oder Psychotherapeutin scheuen. Manche zögern, weil sie grundsätzlich nicht gerne über ihre Gefühle sprechen, schon gar nicht mit einem Fremden. Andere können sich nicht schlichtweg vorstellen, was in einer Psychotherapie passiert. Und einige Menschen fragen sich, ob Psychotherapie überhaupt wirkt. All diese Gründe sind verständlich. Daher möchte ich Ihnen auf dieser Seite einige grundsätzliche Fragen zur Psychotherapie beantworten und dabei insbesondere auf die Methoden der Verhaltenstherapie eingehen.

Der Begriff Psychotherapie kommt ursprünglich aus dem Griechischen und heißt wörtlich übersetzt „Behandlung der Seele“. Dazu wendet sich einemit psychischen Problemen belastete Person (= „Klient“ oder „Patient“) mit der Bitte um Unterstützung an eine speziell ausgebildete Fachleute (= „Psychotherapeut“). In seinem sehr lesenwerten Buch "Wegweiser Verhaltenstherapie" definiert Frederick Kanfer die Psychotherapie als einen ...

Loebbecke• bewusst geplanten,
• systematischen,
• an psychischen oder psychosomatischen Problemen ansetzenden,
• mit psychologischen Mitteln durchgeführten,
• zielgerichteten Veränderungsprozess.

Grundlage der Psychotherapie sind:
• aktuelle, wissenschaftlich begründete Erkenntnisse in Theorie und Praxis,
• aus denen bestimmte Methoden abgeleitet wurden,
• deren prinzipielle Wirksamkeit für bestimmte Zwecke nachgewiesen ist.

Die therapeutische Beziehung hat dabei immer eine große Bedeutung und ist quasi die Grundlage der gesamten psychotherapeutischen Arbeit. Die drei großen und anerkannten psychotherapeutischen "Schulen" sind Psychoanalyse, Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie. Im Folgenden sollen diese kurz beschrieben und auf ihre Besonderheiten eingegangen werden.

Die Psychoanalyse zählt im Unterschied zu übenden bzw. trainierenden verhaltenstherapeutischen Verfahren zu den aufdeckenden Therapien. Im Fokus steht dabei der Versuch, der Patientin oder dem Patienten ein vertieftes Verständnis der ursächlichen (meist unbewussten) Zusammenhänge seines Leidens zu vermitteln. Dabei wird eine weitergehende Umstrukturierung der Persönlichkeit und insbesondere des Gefühlslebens in denjenigen Bereichen angestrebt, die zur Aufrechterhaltung psychopathologischer Elemente (Symptome, Persönlichkeitseigenschaften) beitragen. Formal findet die klassische Psychoanalyse über einige Jahre hinweg drei- bis fünfmal wöchentlich statt. Der Patient bzw. Analysand liegt auf einer Couch und sagt möglichst unzensiert alles, was ihn gerade bewegt bzw. ihm durch den Sinn geht (freies Assoziieren). Der hinter ihm sitzende Analytiker hört mit einer Haltung „gleichschwebender Aufmerksamkeit“ zu und teilt dem Analysanden die während des psychoanalytischen Prozesses gewonnenen Erkenntnisse mit („Deutung“), wann immer er dies für günstig hält.

Die Tiefenpsychologie beruht auf den theoretischen Grundlagen der Psychoanalyse und ihren Weiterentwicklungen. Mit gegenüber der klassischen psychoanalytischen Technik modifizierten Regeln (u. a. nur eine Therapiesitzung pro Woche oder weniger, Behandlung im Sitzen statt im Liegen, geringere Höchstanzahl von Therapiestunden) strebt sie in begrenzterer Zeit begrenztere Zielsetzungen an. Dabei steht die Symptomminderung (statt Änderung der Persönlichkeit) und die begrenzte Einsicht in innere Konflikte im Vordergrund. Der Fokus gegenüber einer psychoanalytischen Behandlung liegt eher im „Hier und Jetzt“ und nicht in der detaillierten Aufarbeitung der Lebens- und Problemgeschichte. Der Wortteil „Tiefe“ in Tiefenpsychologie verweist sowohl auf die verborgene Tiefe des Unbewussten (unbewusste oder unverstandene Wünsche, Motive und Konflikte) als auch auf die „Tiefe der Zeit“, also die fortdauernden Einflüsse aus Kindheit und Jugend. Im Vergleich zu einer Verhaltenstherapie liegt der Schwerpunkt weniger auf der unmittelbaren Beeinflussung des Verhaltens, sondern einer Klärung der zugrundeliegenden Ursachen und dadurch der Verringerung der Beschwerden.

Die Verhaltenstherapie ist ein aktiver Lernprozess, bei dem nicht nur geredet und auf Einsichten gehofft wird. Trotz der Tatsache, dass vieles im Behandlungszimmer der Therapeutin oder des Therapeuten (in Form von Gesprächen) abläuft, richtet sich der Blick immer auf das tatsächliche Leben „draußen“. Und so lernen Patientinnen und Patienten, konkrete Probleme in ihrer aktuellen Situation anzupacken und zu verändern, bis es ihnen wieder besser geht. Der Deutsche Fachverband für Verhaltenstherapie (DVT) beschreibt die Verhaltenstherapie als ein ganzes Spektrum von Formen der Psychotherapie. Allen Formen ist gemeinsam, dass die Hilfe zur Selbsthilfe für die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt steht. Bei manchen Schwierigkeiten (z.B. bei Ängsten oder Zwängen) kann ein großer Teil der Therapie sogar direkt im Alltagsleben von Patienten stattfinden. In Absprache mit den Betroffenen können auch Partner, Familienmitglieder oder andere Personen des sozialen Netzwerks mit einbezogen werden.

Dabei orientiert sich die Verhaltenstherapie von allen Therapierichtungen am stärksten an den Naturwissenschaften und an den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung. Sie legt großen Wert auf wissenschaftliche Überprüfbarkeit ihrer Theorien und Konzepte. Das Ziel dieses Vorgehens ist es, menschliches Erleben und Verhalten experimentell und objektiv zu erforschen, um daraus Modelle, Theorien und Konzepte für die Praxis zu entwickeln. Ein besonders eindrücklicher Versuch der einer wissenschaftlichen Fundierung von Psychotherapie stellt das Vorgehen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) dar, die seit 1995 auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen sog. "Leitlinien" für die Diagnostik und Therapie
veröffentlicht. Es lohnt sich wirklich sehr , die dort beschriebenen Vorgehensweisen z.B. zur Behandlung der Depression, der ADHS, der Posttraumatischen Belastungsstörung, des Tinnitus oder auch der Adipositas (Übergewicht) zu lesen!

Die Verhaltenstherapie (VT) hat sich nach Kanfer in den letzten 4 Jahrzehnten weltweit zu der psychotherapeutischen Richtung entwickelt, die bei fast allen psychischen Problemen die besten Resultate aufzuweisen hat und in relativ kurzer Zeit deutliche Verbesserungen ermöglicht. Ob Ängste, Panikanfälle, soziale Unsicherheiten, Depressionen, Zwänge, Schlafprobleme, Süchte, Stressbewältigung, Kommunikation, Partnerschaftskonflikte oder psychosomatische Erkrankungen – für all diese Bereiche gibt es gute Belege ihrer Wirksamkeit. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Frederick Kanfer (Begründer des Selbstmanagement-Ansatzes) betont, dass die Verhaltenstherapie genau genommen wenig Mysteriöses an sich.

Im Gegensatz zu anderen „Schulen“ der Psychotherapie gibt es bei ihr auch keine einzelne herausragende Gründerpersönlichkeit (wie z.B. Sigmund Freud bei der Psychoanalyse) und keine unbezweifelte Lehrmeinung. Wer sich als Verhaltenstherapeut versteht, fühlt sich am ehesten einer wissenschaftlichen Grundhaltung verpflichtet. Das heißt, auch noch so schöne theoretische Gedankengebäude müssen hinsichtlich Stimmigkeit und Nützlichkeit erst einmal auf den Prüfstand. Es reicht nicht aus, die Effektivität bestimmter Vorgehensweisen in der Praxis nur zu behaupten oder zu erhoffen: was zählt, ist die Wirksamkeit; was zählt, sind positive Ergebnisse.

Die Verhaltenstherapie hat ihren Ursprung in den psychologischen Lerntheorien. Seit den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hat diese klassische Verhaltenstherapie zunehmend andere Gebiete der wissenschaftlichen Psychologie und Psychotherapie aufgegriffen und integriert, was auch als "kognitiven Wende" bezeichnet wurde, da das Hauptaugenmerk in der Behandlung psychischer Störungen fortan auch auf den Gedanken, Einstellungen und Überzeigungen der Menschen (also deren Kognitionen) gelegt wurde. Die Begriffe "kognitive Verhaltenstherapie" oder "kognitive Therapie" trägt somit der Tatsache Rechnung, dass die Verhaltenstherapie sich außer mit der äußeren Verhaltensänderung auch mit der Veränderung der kognitiven, gedanklichen Schemata des Menschen beschäftigt. Begründer und Vorreiter der kognitiven Verhaltenstherapie waren unter anderem Albert Ellis, Aaron T. Beck und Donald Meichenbaum.

Seit Mitte der 1990er Jahre entwickeln sich im Rahmen der sog. "dritten Welle" weitere Therapieformen, die man mit dem Schlagwort "von der Kognition zur Emotion" charakterisieren könnte. Zu den neuesten Therapieformen zählen die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) für die Behandlung der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline Persönlichkeitsstörung), die Schematherapie", die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie" (engl. Mindfulness Based Cognitive Therapy, MBCT) oder auch die Akzeptanz- und Commitmenttherapie" (ACT). Diese Therapieformen beruhen wie andere verhaltenstherapeutische Ansätze auf lerntheoretischen Grundprinzipien, sind aber sowohl von den Themen, die in die Behandlung mit einbezogen werden, als auch vom Methodenrepertoire her deutlich breiter angelegt als klassisch verhaltenstherapeutische Ansätze.

An dieser Stelle einige Worte zur Akzeptanz- und Commitmenttherapie, mit der ich mich seit einigen Jahren intensiver auseinandersetze. Russ Harris, der ein tolles Buch über die ACT geschrieben hat, betont die Entwicklung einer "psychologische Flexibilität", mit der unsere Lebensqualität bedeutend gesteigert werden kann. Das Ziel von ACT besteht darin, ein reiches, erfülltes und sinnvolles Leben zu leben, während Sie darin unterstützt werden, effektiv mit dem Leiden umgehen, das Ihnen unweigerlich auf dem Weg begegnen wird. Die ACT ist ein kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansatz, der darauf abzielt, Menschen beizubringen, emotionalen Problemen mit Achtsamkeit und Mitgefühl zu begegnen und gleichzeitig in ihrem Leben das zu verfolgen, was ihnen wirklich am Herzen liegt. Die englische Aussprache „ACT" ist wichtig, denn sie beschreibt, wofür ACT letztendlich steht:
bewusste ACTion - entschlossenes engagiertes und von Lebenszielen geleitetes Handeln!

Im Kern soll die ACT den Menschen helfen, drei Dinge zu tun:
• sich selbst und andere mit Fürsorglichkeit akzeptieren,
• eine für sie selbst wertvolle Neuorientierung für ihr Leben wählen und
• Handlungen ausführen, die sie auf den Weg in diese Richtung führen.

Für mich persönlich ist die ACT vor allen Dingen daher so wertvoll, weil sie nicht vorgibt, sie hätte das psychotherapeutische Wissen gepachtet. Sie betont, dass wir alle in einem Boot sitzen - alle Patienten, Psychiater, Neurologen, Psychotherapeuten, etc. ... aber: glauben Sie mir nichts und überzeugen Sie sich einfach selbst!

Bei offenen Fragen zur Verhaltenstherapie oder zur Vereinbarung eines ersten Gesprächs können Sie mich
telefonisch unter 0160-99421637 oder per E-Mail unter post@loebbecke.net erreichen.



 

 

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